Carl Hagenbeck

Dieser Artikel befasst sich mit dem Thema Carl Hagenbeck, das in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen an Relevanz gewonnen hat. Seit seiner Entstehung hat Carl Hagenbeck die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern, Experten und der breiten Öffentlichkeit auf sich gezogen und Kontroversen und Debatten über seine Implikationen und Konsequenzen ausgelöst. In den nächsten Zeilen werden verschiedene Perspektiven und Ansätze im Zusammenhang mit Carl Hagenbeck sowie seinen Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur untersucht. Ziel ist es, durch eine detaillierte und gründliche Analyse Licht in dieses Thema zu bringen und zum Verständnis und zur Reflexion über Carl Hagenbeck beizutragen.

Carl Hagenbeck
Carl Hagenbecks Thierpark am Pferdemarkt, Foto von ca. 1874

Carl Gottfried Wilhelm Heinrich Hagenbeck (* 10. Juni 1844 in Hamburg; † 14. April 1913 ebenda) war ein deutscher Tierhändler und Zoodirektor. Er etablierte außerdem die sogenannten Völkerschauen, bei denen indigene Menschen vornehmlich in zoologischen Gärten zur Schau gestellt wurden. Seine über 50 Völkerschauen gingen jeweils auf Tournee durch verschiedene Städte im Deutschen Reich und in Europa. Er revolutionierte und beeinflusste weltweit die Zooarchitektur durch die Erfindung naturalistischer Freigehege.

Tierhändler

Sein Vater, der Fischhändler Gottfried Claes Carl Hagenbeck (1810–1887), begann 1848 in Hamburg einen mit Tierschauen verbundenen Tierhandel, den Carl Hagenbeck 1866 übernahm und zum größten Geschäft der Art in Deutschland ausbaute. Anfangs schickte er vier bis fünf Expeditionen pro Jahr nach Afrika zum Tierfang, später in die ganze Welt. 1867 kaufte Hagenbeck die berühmte Kreutzbergsche Menagerie. Im selben Jahr kaufte er von dem auf afrikanische Tiere spezialisierten „Löwenbändiger Casanova“ Elefanten, Antilopen, Hyänen und andere Tiere, die er umgehend an den Londoner Tierhändler Charles Jamrach weiterverkaufte. Charles Jamrach, der 1815 als Carl Johann Christian Jamrach in Hamburg geboren war, hatte nach dem Tode seines Bruders Anton dessen Tierhandelsgeschäft in London übernommen. Es war „eitaus das bedeutendste Geschäft für lebende Thiere in London“.

Tierpark Hagenbeck

Lovis Corinth: Porträt Carl Hagenbeck mit dem Walroß Pallas, 1911

Bereits seit 1874 gab es „Hagenbecks Thierpark“ am Neuen Pferdemarkt in Hamburg. Am 7. Mai 1907 eröffnete Hagenbeck dann in Stellingen, nördlich von Hamburg, auf Grundlage seines Patentes den ersten gitterlosen Zoo der Welt, der heute als Tierpark Hagenbeck existiert. Diese Gründung stand in Konkurrenz zu dem noch bis 1930 existierenden Zoologischen Garten in Hamburg und wurde ab 1909 von einer Mehrzahl der deutschen zoologischen Gärten boykottiert, wovon konkurrierende Tierhändler, wie zum Beispiel die Nachfahren von Ludwig Ruhe, profitierten. 1911 wurde Hagenbeck gemeinsam mit dem damaligen Publikumsliebling, dem Walross Pallas, in Auftrag der Hamburger Kunsthalle von dem Maler Lovis Corinth porträtiert, das entstandene Bild Porträt Carl Hagenbeck mit dem Walroß Pallas ist heute noch Bestandteil der Sammlung der Hamburger Kunsthalle. Im Jahr 1912 wurde Hagenbeck zum Mitglied der Leopoldina gewählt.

Völkerschauen

Adolph Friedländer: Plakat für eine Singhalesen-Völkerschau, 1886

Carl Hagenbeck gilt als maßgeblich für die Verbreitung und Professionalisierung der Völkerschauen seit Mitte der 1870er Jahre, bei denen indigene Menschen in Zoos oder Vergnügungsparks zur Schau gestellt wurden. Die Völkerschauen waren bis in die 1930er Jahre sehr populär und lockten in vielen Ländern Europas, in Nordamerika und Japan hunderte Millionen zahlende Besucher an. Allein im Deutschen Reich wurden etwa 400 Völkerschauen gezeigt, die meist durch mehrere Städte tourten und von denen einzelne von weit mehr als einer Million Menschen gesehen wurden.

Das Unternehmen Hagenbeck veranstaltete laut Hilke Thode-Arora (1989) zwischen 1875 und 1931 68 , laut Anne Dreesbach (2005) sogar über 100 Völkerschauen. 54 der Schauen fanden zu Lebzeiten von Carl Hagenbeck statt. Die Ausstellungen inszenierte Hagenbeck so, dass sie der stereotypen Wahrnehmung der zur Schau gestellten „Völker“ durch die weißen Europäer entsprachen und diese bestärkten. Sie gelten heute als maßgeblich wirksam bei der Verbreitung eines rassistisch begründeten Chauvinismus der Gesellschaften der Kolonialmächte. Allerdings wurden die vielen verschiedenen zur Schau gestellten Gruppen stark unterschiedlich in Szene gesetzt – entweder als „Kulturvölker“ (beispielsweise Inder oder Araber) oder als „Wilde“ (beispielsweise die Feuerländer oder Schwarze Menschen).

Zwar gab es bereits vor Hagenbeck solche Zurschaustellungen als „exotisch“ stigmatisierter Menschen beispielsweise in Freak Shows oder auf Jahrmärkten, Hagenbecks Erfolg bei den ersten „Völkerausstellungen“ lag darin begründet, dass er die Menschen vermeintlich „authentisch“ inszenierte. Dazu griff er die Idee des befreundeten Malers Heinrich Leutemann auf und ließ Rentiere aus dem Nordeuropa von einer Gruppe von sechs Samen begleiten. Vom großen Erfolg überrascht führte er das Format weiter und plante seit den 1880er Jahren immer größere Schauen entweder als Imitationen von Eingeborenendörfern oder aufwändiger Aufführungen von Tänzen oder Schaukämpfen in künstlichen Kulissen. Die Schauen wurden Ende der 1870er Jahre zu seiner Haupteinnahmequelle. Hagenbecks immer aufwändigere Inszenierungen indigener Menschen galten zeitgenössisch insofern als fortschrittlich, dass er „die ‚Wilden‘ aus den Jahrmarktsbuden in die wissenschaftlichen Institutionen ‚Zoologische Gärten‘“ holte. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem damals sehr bekannten Anatomen und Anthropologen Rudolf Virchow schaffte es Hagenbeck, seinen Schauen einen wissenschaftlichen Anstrich zu verleihen. So wurde er auch Mitglied der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte

Hagenbecks Völkerschau der „Feuerländer“ im Jardin d’Acclimatation in Paris, Foto von 1881

Carl Hagenbeck begann mit den Völkerschauen im 1874 eröffneten „Hagenbecks Thierpark“ am Neuen Pferdemarkt im Hamburg mit der Zurschaustellung von sechs Samen im September 1875. Im weit größeren Tierpark Hagenbeck in Hamburg-Stellingen entwickelte er ab 1907 immer größere und aufwändigere Formate der Völkerschauen. Insgesamt veranstaltete er zu seinen Lebzeiten 54 Völkerschauen, die auch in vielen anderen Städten sowohl im Deutschen Reich und anderen europäischen Städten gezeigt wurden.

Die Problematik der Völkerschauen und auch der Rolle Hagenbecks macht beispielhaft die Völkerschau der „Feuerländer“ 1881/82 (damaliger Titel: „Die Wilden von den Feuerlandsinseln“) deutlich. Hagenbeck ließ eine Gruppe von elf Kawesqar in Südamerika verschleppen und stellte sie in Paris und anschließend in Berlin, Stuttgart, München, Nürnberg und Zürich unter unmenschlichen und gesundheitsgefährdenden Umständen zur Schau. Die Feuerländer wurden dabei als „Urmenschen“ und „Kannibalen“ stigmatisiert und in der Presse besonders abschätzig beschrieben. In Zürich starben fünf der Kawesqar, während die übrigen (auch die Kinder der gerade Verstorbenen), weiter auf die Bühne geschickt wurden. Hagenbeck brach die Tournee im März 1882 ab. Erst ein gutes Jahr zuvor waren bei Hagenbecks Völkerschau der „Eskimos“ alle acht Inuit an Pocken gestorben. Nach den erneuten Todesfällen in Zürich schrieb er seinem Mitarbeiter Johan Adrian Jacobsen: „Es sind mir innerhalb dieser letzten 3 Wochen 5 von meinen guten armen Feuerländern gestorben. Sie wissen, daß ich ein Menschenfreund bin und habe ich jetzt auch noch hin und wieder nicht allzu erfreuliches in den Zeitungen darüber zu lesen so daß ich mir fest vorgenommen habe nie mehr Menschen-Ausstellungen zu arrangieren“. Tatsächlich setzte er die Völkerschauen aber nur für wenige Monate aus. Die zur Schau gestellten Menschen anderer Völkerschauen wurden meist besser behandelt als die Kawesqar.

Die Hagenbeck’sche Singhalesen-Karawane, 1884

Zirkus Hagenbeck

Hagenbeck eröffnete 1887 einen Zirkus: Carl Hagenbecks Internationaler Circus und Singhalesen-Karawane, der später als Hagenbeck’s Zoologischer Circus firmierte. 1890 führte er die zahme Dressur von Wildtieren ein und plante einen offenen Tierpark ohne Gitter, auf den er 1896 auch ein Patent erwarb. Im selben Jahr trat er mit seinem Thierzirkus auf der Berliner Gewerbeausstellung auf, wo er Eisbären, Seehunde und verschiedene Vögel vor einem 60 Meter tiefen und 25 Meter breiten Eismeerpanorama präsentierte. Der Zirkus wurde 1905 nach dem Aufkauf durch einen amerikanischen Zirkus zum Circus Hagenbeck-Wallace. Carls jüngerer Bruder Wilhelm Hagenbeck (1850–1910) betrieb ebenfalls einen Zirkus, der später von Wilhelms Söhnen Willy (1884–1965) und Carl (1888–1949) weitergeführt wurde.

Leben und Familie

Carl Hagenbeck heiratete am 11. März 1871 in Hamburg Amanda, geb. Mehrmann (1849–1939). Sie hatten 10 Kinder, von denen fünf das Erwachsenenalter erreichten – drei Mädchen und zwei Jungen. Sein Bruder Diederich (geb. 1852) starb 1873 an Schwarzwasserfieber beim Flusspferdfang auf Sansibar. Die beiden Söhne Heinrich (1875–1945) und Lorenz (1882–1956) waren beide Inhaber der Firma Carl Hagenbeck. Lorenz war ebenfalls im Tierhandel tätig und trat bei der Ausstellung in St. Louis in den USA 1904 auf. Er schrieb das Buch Den Tieren gehört mein Herz.

Hagenbecks Grab mit bronzener Löwenskulptur auf dem Friedhof Ohlsdorf

Carl Hagenbeck wurde in Hamburg auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt. Auf seinem Grab lag vor einem Findling mit den eingravierten Namen Carl, Heinrich und Lorenz Hagenbeck die bronzene Figur des schlafenden Löwen Triest, des Lieblingstiers Carl Hagenbecks. Der Löwe hatte ihm einmal das Leben gerettet, als Hagenbeck im Freigehege gestolpert und von einem Tiger angegriffen worden war. Die Skulptur wurde geschaffen von Josef Pallenberg, dem Künstler, der auch die Tierplastiken zum Eingangstor des Tierparks entwarf. Anfang Januar 2014 wurde der Bronze-Löwe gestohlen.

Am 5. Mai 1994 gab die Deutsche Bundespost einen Sondermarken-Block zu seinem 150. Geburtstag und dem 150-jährigen Bestehen des Berliner Zoos heraus.

Veröffentlichungen

Hörspiele

Nach 1945 entstanden zwei Hörspielproduktionen über Carl Hagenbeck. Das erste Hörspiel stammt vom NWDR Hamburg aus dem Jahre 1952, das zweite vom WDR und entstand 1962.

Die NWDR-Produktion schrieb Robert Walter und trägt den Titel Besorgen Sie uns 2000 Dromedare – Eine Erinnerung an den großen Tiermeister Carl Hagenbeck. Im Mittelpunkt der Handlung steht ein Ereignis aus dem Jahre 1902. Das Kolonialministerium in Berlin beauftragte Hagenbeck für den Gouverneur von Swakopmund (Deutsch-Südwestafrika) 2000 Dromedare zu beschaffen. Es wird erzählt, wie es ihm gelang eine riesige Expedition auszurüsten, diese unter das Kommando seines Sohnes Lorenz zu stellen, der es dann schaffte die Dromedare ostafrikanischer Herkunft noch vor dem vereinbarten Termin zu liefern. Unter der Regie von Hans Freundt sprachen u. a. Carl Voscherau (Hagenbeck), Erwin Wirschaz (Sein Sohn Lorenz), Georg Pahl (Menges), Heinz Ladiges (Sprecher), sowie Willi Essmann, Eduard Marks, Heinz Roggenkamp und Reinhold Nietschmann. Das Hörspiel ist in keiner ARD-Rundfunkanstalt mehr verfügbar.

Das fünfteilige Kinderhörspiel des WDR schrieb Werner Liborius unter dem Titel Ein Leben mit Tieren: Carl Hagenbeck. Die Musik komponierte Kurt Herrlinger. Unter der Regie von Wolfram Rosemann sprachen u. a. Friedrich W. Bauschulte (Hagenbeck als Erwachsener), Raoul Wolfgang Schnell (Hamburger, Erzähler), Wolfgang Schirlitz (Leutemann), sowie Werner Kreindl, Heinz Bennent und P. Walter Jacob. Das Hörspiel ist anscheinend noch erhalten.

Literatur

Einzelnachweise

  1. „Die berühmte Kreuzberg'sche Menagerie ist durch Kauf in den Besitz des Herren Hagenbeck in St. Pauli übergegangen …“ In: Altonaer Nachrichten. 5. Oktober 1867, , Digitalisat
  2. Vaterstädtisches und Unterhaltendes. In: Altonaer Nachrichten. - 7. August 1867, , Digitalisat
  3. Lothar Dittrich, Annelore Rieke-Müller: Der Löwe brüllt nebenan. Böhlau Verlag, Köln 1998, ISBN 3-412-00798-6, S. 202
  4. Handel mit Menageriethieren. In: Jagd-Zeitung, 30. September 1862, S. 29 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/hjz
  5. Anne Dreesbach: Gezähmte Wilde. Die Zurschaustellung „exotischer“ Menschen in Deutschland 1870–1940. Campus-Verlag, Frankfurt/New York 2005, ISBN 3-593-37732-2, S. 54.
  6. a b Anne Dreesbach: Kolonialausstellungen, Völkerschauen und die Zurschaustellung des "Fremden". Online unter: Europäische Geschichte Online, 17. Februar 2017, abgerufen am 31. Januar 2024.
  7. a b Hilke Thode-Arora: Für fünfzig Pfennig um die Welt. Die Hagenbeckschen Völkerschauen. Frankfurt am Main 1989. S. 168−175.
  8. Anne Dreesbach: Kolonialausstellungen, Völkerschauen und die Zurschaustellung des "Fremden". Online unter: Europäische Geschichte Online. 17. Februar 2017, abgerufen am 2. April 2024.
  9. Stefanie Wolter: Die Vermarktung des Fremden. Frankfurt am Main 2005, S. 102–104.
  10. Utz Anhalt: Tiere und Menschen als Exoten. Hannover 2007, S. 327.
  11. Anne Dreesbach: Gezähmte Wilde. Die Zurschaustellung „exotischer“ Menschen in Deutschland 1870–1940. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-593-37732-2, S. 50–55.
  12. Gabriele Eissenberger: „Leider fehlt es gar sehr an Feuerland-Schädeln“. Lateinamerikanische Völkerschauen in Deutschland während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Magisterarbeit, Berlin 1993, S. 45 f.
  13. Hilke Thode-Arora: Für fünfzig Pfennig um die Welt. Die Hagenbeckschen Völkerschauen. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-593-34071-2.
  14. Gabriele Eissenberger: „Leider fehlt es gar sehr an Feuerland-Schädeln“. Lateinamerikanische Völkerschauen in Deutschland während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Magisterarbeit, Berlin 1993, S. 145−150.
  15. Gabriele Eissenberger: „Leider fehlt es gar sehr an Feuerland-Schädeln“. Lateinamerikanische Völkerschauen in Deutschland während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Magisterarbeit, Berlin 1993, S. 170.
  16. Ludwig Beckmann: Die Hagenbeck’schen Singhalesen. In: Die Gartenlaube. Heft 34, 1884, S. 564–566 (Volltext [Wikisource]).
  17. Johanna Lutteroth: 100 Jahre Carl Hagenbeck: König der Löwen. In: einestages. 12. April 2013
  18. Circus-Plakate Willy Hagenbeck
  19. Gretzschel, Matthias, Pelc, Ortwin: Hagenbeck, Tiere, Menschen, Illusionen, Axel Springer Verlag, 1998, S. 177
  20. Englische Übersetzung: Animals Are My Life. Translated by Alec Brown. Publisher The Bodley Head., London 1956.
  21. Diebe stehlen Löwen vom Grab der Hagenbecks. In: abendblatt.de. 8. Januar 2014, abgerufen am 28. Januar 2024.

Weblinks

Commons: Carl Hagenbeck – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien