In der heutigen Welt ist Judentum in der Schweiz zu einem Thema von großer Bedeutung und Relevanz geworden. Es gibt viele Menschen, die auf die eine oder andere Weise von Judentum in der Schweiz betroffen sind, und deshalb ist es wichtig, dieses Problem aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. In diesem Artikel werden wir uns mit der Analyse von Judentum in der Schweiz befassen und seine Auswirkungen, seine Entwicklung im Laufe der Zeit und seine Auswirkungen auf die aktuelle Gesellschaft untersuchen. Durch einen multidisziplinären Ansatz werden wir versuchen, Judentum in der Schweiz besser zu verstehen und neue Erkenntnisse und Überlegungen anzubieten, die die Debatte rund um dieses Thema bereichern werden.
In der Schweiz leben heute etwas mehr als 20'000 Juden, das entspricht ungefähr 0,4 Prozent der Gesamtbevölkerung, was das Land zur zehntgrössten jüdischen Gemeinde Europas macht. Es lässt sich die genaue Anzahl aufgrund der jeweils unterschiedlichen Kriterien, nach denen man Menschen jüdischer Glaubensrichtung respektive Herkunft definieren kann, nur begrenzt feststellen. Die Mehrheit der aufgeführten Juden lebt in den Grossstädten des Landes, namentlich in Zürich, Genf und Basel, wobei circa 80 % der im Land lebenden Juden Schweizer Staatsbürger sind.
In der Alten Eidgenossenschaft lebten die Juden seit dem frühen 17. Jahrhundert in der Gemeinen Herrschaft Baden unter einem «teuren» Sonderstatut, letztmals beschlossen von der Tagsatzung 1776. Der Wohnsitz der Menschen jüdischen Hintergrundes war auf die beiden aargauischen Dörfer Endingen und Lengnau beschränkt (mit weiteren Ausnahmen im Raum der Westschweiz, u. a. in La Chaux-de-Fonds und Carouge). Die Helvetische Republik trieb zwar die Idee der Emanzipation voran, setzte sie aber nicht umfassend durch. Im Jahr 1866 wurden die jüdischen Staatsbürger der Schweiz dann per Bundesverfassungsentscheid gleichberechtigt.
Heute befindet sich in Basel das Jüdische Museum der Schweiz, das mit seiner Gründung 1966 das erste Museum seiner Art im deutschsprachigen Bereich nach dem Zweiten Weltkrieg war.
Vereinzelte archäologische Funde (Fingerring mit Menora) aus dem 4. Jahrhundert, die in Augusta Raurica gemacht wurden, deuten darauf hin, dass erste Angehörige des jüdischen Volkes mit den Römern in das Gebiet der heutigen Schweiz kamen. Die spärlichen Funde beantworten jedoch nicht die Frage, ob es sich bei dem Ring um den verlorenen Besitz eines durchreisenden jüdischen Händlers oder um ein Souvenir eines Römers handelt, oder ob es in Augusta Raurica ansässige jüdische Familien oder gar eine Kultusgemeinde gab. Zwar wurden Juden auch in dem nach 500 redigierten Burgunderrecht erwähnt, eine jüdische Siedlertätigkeit ist jedoch erst seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Genf archäologisch nachweisbar.
Im Jahr 1223 ist die Anwesenheit von Juden in Basel bezeugt, als der dortige Bischof die Rückgabe eines Pfandes anordnete, das er bei einem jüdischen Geldverleiher hinterlegt hatte. Im Laufe des 13. Jahrhunderts wurden jüdische Gemeinden in Luzern (1252), Bern (1262), St. Gallen (1268), Winterthur (vor 1270), Zürich (1273), Schaffhausen (1278), Zofingen und Bischofszell (1288), Rheinfelden (1290), Genf (1281), Montreux und Lausanne gegründet; die bedeutendsten befanden sich in Bern, Zürich und Luzern. In dieser Zeit waren sie zunehmenden Verfolgungen, oft nach dem Muster der Ritualmordlegende, ausgesetzt. So wurde 1294 in Bern unter dem Vorwand, Menschen jüdischen Hintergrundes hätten einen Knaben ermordet, ein Teil der jüdischen Bevölkerung gerädert und der überlebende Rest aus der Stadt vertrieben. Der Knabe wurde später unter dem Namen Rudolf von Bern als Märtyrer verehrt.
Als 1348 in ganz Europa Pestepidemien ausbrachen, wurden die Juden beschuldigt, sie hätten Brunnen vergiftet und vielerorts auf dem Scheiterhaufen verbrannt, u. a. in Bern, Solothurn, Basel und Zürich. Die überlebende jüdische Bevölkerung wurde des Landes verwiesen, und so gab es in der Schweiz bis ins 19. Jahrhundert fast keine Juden.
Eine Ausnahme waren die nahe bei Zurzach, dem Austragungsort der Zurzacher Messe, gelegenen beiden aargauischen Dörfer Endingen und Lengnau, wo Juden seit dem 17. Jahrhundert als fremde Schutzgenossen Wohnsitz nehmen durften, und wo deshalb mit 553 Personen Ende des 18. Jahrhunderts fast die gesamte jüdische Bevölkerung der Schweiz lebte. Die meisten Kenntnisse über das Schweizer Judentum der damaligen Zeit ist dem reformierten Zürcher Pfarrer Johann Caspar Ulrich und seiner 1768 in Basel herausgegebenen Sammlung Jüdischer Geschichten, welche sich mit diesem Volk in dem XIII. und folgenden Jahrhunderten bis auf MDCCLX. in der Schweiz von Zeit zu Zeit zugetragen zu verdanken.
Die Französische Revolution, der Einmarsch der Franzosen 1798 und die Helvetik leiteten für die Schweizer Juden die Wende zur Emanzipation ein. In der Bundesverfassung von 1848 wurden sie aber immer noch diskriminiert, denn die Niederlassungs- und Kultusfreiheit sowie Gleichheit im Gerichtsverfahren galt nur für christliche Schweizer. Verordnungen im 18. Jahrhundert regelten zum Beispiel, dass Juden ihr Vieh nur auf offenen Märkten und nicht direkt beim Bauern kaufen bzw. verkaufen durften; Christen hatten keinerlei solcher Vorschriften.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde die Situation der Schweizer Juden zunehmend paradox, da sich insbesondere die Regierung Frankreichs für die Wahrnehmung der Rechte ihrer jüdischen Mitbürger einsetzte, die in der Schweiz noch zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt waren. Erst mit der Teilrevision der Bundesverfassung von 1866 wurde den Juden in der Schweiz die Niederlassungsfreiheit und die volle Ausübung der Bürgerrechte gewährt, wobei der Kanton Aargau mit der Gleichberechtigung auch auf ortsbürgerlicher Ebene in Endingen und Lengnau bis 1879 zuwartete. Breite Kreise in der Schweiz blieben antijüdisch gesinnt, was sich zum Beispiel 1893 in der Annahme einer Volksinitiative für ein Verbot des Schächtens zeigte.
1894 begann im Nachbarstaat Frankreich die Dreyfus-Affäre, die Theodor Herzl zu seinem 1896 veröffentlichten Buch Der Judenstaat bewegte, in dem er einen eigenen Staat für das jüdische Volk forderte und den Zionismus begründete. Unter Herzl fand 1897 in Basel der erste Zionistische Weltkongress statt. Dass der Kongress hierbei in der Schweiz – und nicht wie anfangs vorgeschlagen in München – stattfinden sollte, war unter anderem auch dem Engagement des Zürcher Nationalrats David Farbstein zu verdanken. Schliesslich fand der Kongress bis zur Staatsgründung Israels 1948 zehn Mal in Basel statt, mehr also als in jeder anderen Stadt der Welt.
In einem Gerichtsprozess (Berner Prozess), der zwischen 1933 und 1935 in Bern stattfand, wurden die antisemitischen Protokolle der Weisen von Zion zur Schundliteratur erklärt und deren Herausgeber zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Urteil vom Mai 1935 wurde im November 1937 aus formaljuristischen Gründen kassiert. Als Gerichtssachverständiger war am damaligen Prozess Carl Albert Loosli beteiligt, der den Antisemitismus bereits 1927 in der Schrift Die schlimmen Juden! bekämpft hatte.
Im Zweiten Weltkrieg wurden an den Schweizer Grenzen mindestens 30'000 Personen abgewiesen, darunter auch viele Juden. Nach Verhandlungen mit der Schweiz wurden im nationalsozialistischen Deutschland ab 1939 die Pässe von Juden mit einem «J»-Stempel markiert. 1995 entschuldigte sich der Bundesrat während einer Gedenksitzung im Bundesparlament in Bern für die von der Schweiz im Zweiten Weltkrieg geführte Praxis gegenüber jüdischen Asylsuchenden an der Schweizer Grenze zum ersten Mal. Der damalige Bundespräsident Kaspar Villiger erwähnte hierbei: «Wir können uns nur verneigen vor jenen, die unsertwegen Leid und Gefangenschaft erlitten haben.»
Heute konzentriert sich die jüdische Bevölkerung auf die Grossstädte Basel, Genf und Zürich, wo es sowohl orthodoxe, konservative als auch liberale Gemeinden gibt. Die politische Organisation der jüdischen Einheitsgemeinden ist der 1904 gegründete Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG). Im Jahr 1972 wurde die Israelitische Gemeinde Basel (IGB) als erste jüdische Gemeinde der Schweiz vom Kanton Basel-Stadt nach einer Volksabstimmung als öffentlich-rechtliche Körperschaft anerkannt. Im Jahr 1999 wurde mit Ruth Dreifuss nicht nur die erste weibliche, sondern auch erste jüdische Bundespräsidentin in der Geschichte der Schweiz gewählt. Im Jahr 2003 wurde die Plattform der Liberalen Juden der Schweiz (PLJS) gegründet, die sich jeweils aus den jüdisch-liberalen Gemeinden in Basel, Genf und Zürich zusammensetzt.
Im 21. Jahrhundert schrumpfen die jüdischen Gemeinden in der Schweiz rasch. Viele Gemeinden ausserhalb von Basel, Genf und Zürich verfügen nur noch über wenige, meist sehr alte Mitglieder. Die Gründe dafür sind die Assimilation der Juden in der Schweizer Mehrheitsgesellschaft sowie ihre Auswanderung nach Israel und in die USA, ebenso die Abwanderung nach Basel, Genf und Zürich.
Die Gemeinden von Pruntrut, Yverdon-les-Bains, Avenches, Davos und Delsberg haben sich infolge Mitgliedermangels aufgelöst.
In den meisten historisch großen Städten in der Schweiz finden sich Synagogen oder Gebetsräume. Die großen Städte Zürich und Genf mit mehreren Gemeinden verfügen auch über mehrere Synagogen. Ansonsten finden sich Synagogen noch in kleineren Orten, wo früher Juden lebten.
Zu den wichtigsten jüdischen Friedhöfen in der Schweiz zählen:
Nachfolgend eine unvollständige Aufzählung jüdischer Frauen und Männer mit Bezug zur Schweiz (zeitlich geordnet):
Siehe Hauptartikel Liste der Gerechten unter den Völkern aus der Schweiz
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bezeichnung Gerechter unter den Völkern verwendet, um nichtjüdische Personen zu bezeichnen, die ihr Leben dafür einsetzten, um Juden vor dem Holocaust zu retten. In der Schweiz gehörten u. a. folgende Personen zu diesen «Gerechten»:
Nach den seit 1860 durchgeführten Volkszählungen hat sich die Anzahl der Personen, die sich zum jüdischen Glauben bekannten (1860 und 1870 wurden «Israeliten und andere Nichtchristen» gezählt und 1870 und 1880 nur die ortsanwesende Bevölkerung), im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung wie folgt entwickelt:
Jahr | Personen | % |
---|---|---|
1850 | 3'145 | 0,1 |
1860 | 4'216 | 0,2 |
1870 | 6'996 | 0,3 |
1880 | 7'373 | 0,3 |
1888 | 8'069 | 0,3 |
1900 | 12'264 | 0,4 |
1910 | 18'462 | 0,5 |
1920 | 20'979 | 0,5 |
1930 | 17'973 | 0,4 |
1941 | 19'429 | 0,4 |
1950 | 19'048 | 0,4 |
1960 | 19'984 | 0,4 |
1970 | 20'744 | 0,3 |
1980 | 18'330 | 0,3 |
1990 | 17'577 | 0,2 |
2000 | 17'914 | 0,2 |
2010 | 20'991 | 0,4 |