Im folgenden Artikel wird Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, um eine umfassende und detaillierte Analyse des Themas zu ermöglichen. Seine Ursprünge, Entwicklung, Auswirkungen auf die Gesellschaft und mögliche zukünftige Auswirkungen werden untersucht. Auf diesen Seiten möchten wir dem Leser eine vollständige und aktuelle Vision von Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik vermitteln, die wichtigsten Aspekte beleuchten und einen klaren und objektiven Überblick bieten. Ohne Zweifel wird dieser Artikel als Wissens- und Reflexionsquelle für diejenigen dienen, die in die Welt von Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik einsteigen möchten.
Die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik (OPD) ist ein psychodynamisches Diagnosesystem, welches vorwiegend für psychoanalytisch und tiefenpsychologisch fundiert arbeitende Psychotherapeuten konzipiert ist.
Es handelt sich um ein halbstrukturiertes Interview mit den entsprechenden theoretischen psychodynamischen Hintergrundkonstrukten, bei dem unter anderem unterschiedliche Lebensbereiche, das Krankheitsgeschehen und Selbsteinschätzungen abgefragt werden. Die Fragen werden möglichst offen gestellt und es werden keine Antwortmöglichkeiten vorgegeben.
Das diagnostische Handbuch wurde als Alternative zu den bestehenden psychiatrischen Diagnosehandbüchern entwickelt. Damit soll die rein beschreibende Phänomenologie im ICD-10 und DSM-5 um ein verlässliches und valides diagnostisches Instrument ergänzt werden, das psychodynamische Aspekte berücksichtigt.
Durch den Prozess der Operationalisierung sollen die wesentlichen Variablen in psychodynamischen Theorien messbar gemacht werden, etwa Übertragungsmuster, innere Konfliktkonstellationen und strukturelle Bedingungen. So versucht die OPD, eine bessere Objektivität, Reliabilität und Validität der Diagnosen zu erreichen und den Gütekriterien psychodiagnostischer Verfahren gerecht zu werden.
Die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik wurde Anfang der 1990er Jahre entwickelt und das erste diagnostische Manual wurde 1996 veröffentlicht. Seither sind weit über einhundert Veröffentlichungen in Fachbüchern und Fachzeitschriften erschienen. Etwa 40 Kliniker und Forscher arbeiten an der Weiterentwicklung des diagnostischen Instrumentariums. 2006 erschien ein weitgehend neu überarbeitetes und ergänztes Manual mit der Bezeichnung OPD-2. In dieser Version werden auch Instrumente für die Psychotherapieplanung zur Verfügung gestellt. Aktuell werden von der Arbeitsgruppe zusätzlich die Bereiche Forensik, Rehabilitation, Abhängigkeitssyndrom und weitere bearbeitet.
Das diagnostische Manual ermöglicht, die individuelle seelische Konstitution des Patienten auf fünf unterschiedlichen Achsen zu beschreiben und einzuschätzen. Dazu werden Erhebungsbögen für jede Achse zur Verfügung gestellt, auf denen der Diagnostiker vorgegebene Items beurteilen kann. Zum Beispiel Item 17 auf der Achse I:
Persönliche Ressourcen des Patienten = nicht vorhanden (0) | = niedrig (1) | = mittel (2) | = hoch (3) | = nicht beurteilbar (9)
Die Erhebungsbögen enthalten insgesamt über 40 solcher Einschätzungsskalen und frei formulierbare Felder.
Die Achse I besteht aus einem Basismodul, das nach Bedarf mit spezifischen Zusatzmodulen verzahnt werden kann.:S. 145–189; 61–82
Zusätzlich gibt es hierzu noch ein gesondertes Psychotherapiemodul.
Mithilfe einer Itemliste wird den nachfolgenden vier Erlebensperspektiven je eine Position in einem Zirkumplexmodell zugeordnet. Den jeweils 16 Items liegt ein Zirkumplexmodell interpersonellen Verhaltens zugrunde, das sich an Benjamin (1974; 1993) anlehnt.:S. 189–206; S. 82–95
Perspektive A: Das Erleben des Patienten | |||
---|---|---|---|
Patient erlebt sich | Patient erlebt andere | ||
Perspektive B: Das Erleben der anderen (auch des Untersuchers) | |||
Andere erleben den Patienten | Andere erleben sich |
Beziehungsdynamische Formulierung
… wie der Patient andere immer wieder erlebt
… wie er in seinem Erleben darauf reagiert
… welches Beziehungsangebot er anderen mit dieser Reaktion (unbewusst) macht
… welche Antwort er anderen damit (unbewusst) nahelegt
… wie es der Patient erlebt, wenn andere so, wie er es ihnen nahegelegt, antworten
Siehe auch: Zyklische maladaptive Muster
Fragen zur Abklärung der Voraussetzungen der Konfliktbeurteilung:S. 206–255; S. 95–113
A) Konflikte sind nicht zu raten, diagnostische Sicherheit fehlt.
B) Aufgrund geringer struktureller Integration handelte es sich nicht um distinkte Konfliktmuster als vielmehr um Konfliktschemata.
C) Wegen abgewehrter Konflikt- und Gefühlswahrnehmung nicht beurteilbar.
D) (Aktualkonflikt) ohne wesentliche dysfunktionale repetitive Konfliktmuster.
Repetitiv-dysfunktionale Konflikte:
In der klinischen Anwendung werden die beiden wichtigsten lebensbestimmenden Konflikte markiert. Zeitfenster ist das letzte Jahr, wobei die im Schwerpunkt die konkrete Aktualisierung eingeschätzt werden soll.
Hauptkonflikt:
Zweitwichtigster Konflikt:
Modus der Verarbeitung des Hauptkonfliktes:
(1) vorwiegend aktiv (2) gemischt (3) gemischt eher passiv (4) vorwiegend passiv (9) nicht beurteilbar
„Struktur kann auf vier Dimensionen beschrieben werden, welche jeweils den Bezug zum Selbst und den Bezug zu den Objekten unterscheiden.“ (S. 118):S. 255–280 und S. 113–123
Bezug zum Selbst | Bezug zum Objekt |
---|---|
1a Selbstwahrnehmung | 1b Objektwahrnehmung |
2a Selbstregulierung | 2b Regulierung des Objektbezugs |
3a Kommunikation nach innen | 3b Kommunikation nach außen |
4a Bindung an innere Objekte | 4b Bindung an äußere Objekte |
5 Struktur gesamt |
Va: Psychische Störungen:S. 123–132
Vb: Persönlichkeitsstörungen
Welche Störung steht klinisch im Vordergrund? (Achse Va oder Vb)
Vc: Körperliche Erkrankungen
Zusätzlich werden noch demografische Daten von Patient und Diagnostiker erhoben und aufgrund des Datenschutzes mit einem Code anstelle des Namens versehen.
Patient: Code, Alter, Geschlecht, Erhebungsdatum
Diagnostiker: Code, Alter, Geschlecht, Zentrum
Im Jahr 2018 finden sich 45 klinische Einrichtungen, die mit diesem Diagnoseinstrument arbeiten, davon 40 an Kliniken und Polikliniken in Deutschland, je zwei in Österreich und der Schweiz und eine an der Portman Klinik in London.
Auch für die ambulante psychotherapeutische Praxis stellt die OPD vom Grundsatz her ein wertvolles diagnostisches und therapeutisches Instrument dar. Allerdings ist die komplette OPD aus der Sicht einiger niedergelassener Psychotherapeuten zu zeitaufwändig, um routinemäßig breite Anwendung zu finden. Andererseits wird heutzutage in Deutschland durch etliche Ausbildungsinstitute der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie die OPD standardmäßig zur Formulierung der Psychodynamik im vorgeschriebenen Bericht an den Gutachter für Krankenkassenanträge zur Psychotherapie gelehrt. Meist wird in der Praxis nicht die gesamte OPD durchgeführt, sondern insbesondere für die Formulierung der Psychodynamik im Gutachterantrag lediglich Konflikt- und Strukturachse genutzt. Den zeitlichen Möglichkeiten der ambulanten Psychotherapiepraxis Rechnung tragend, entwickelten Udo Boessmann und Arno Remmers ein vereinfachtes fragebogengestütztes psychodynamisches Diagnose- und Therapieplanungskonzept, das auf der OPD basiert, aber mit sehr viel geringerem Zeitaufwand und das ohne das spezielle aufwändige Training, das die OPD verlangt, eingesetzt werden kann.