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Ossip Emiljewitsch Mandelstam (russisch Осип Эмильевич Мандельштам, wiss. Transliteration Osip Ėmil'evič Mandel'štam; * 3.jul. / 15. Januar 1891greg. in Warschau, Russisches Kaiserreich; † 27. Dezember 1938 bei Wladiwostok in einem sowjetischen Lager) war ein russischer Dichter. Er war einer der entschiedensten Vertreter des Akmeismus.
Ossip Mandelstam wurde 1891 als Sohn eines jüdischen Lederhändlers in Warschau geboren. In seiner Kindheit zog seine Familie nach Pawlowsk und später nach Sankt Petersburg, wo Mandelstam am renommierten Tenischew-Gymnasium eine breite geisteswissenschaftliche Ausbildung erhielt. Mit 16 Jahren lernte Mandelstam auf einer Parisreise, wo er Lesungen an der Sorbonne hörte, Nikolai Gumiljow kennen. Im selben Jahr wurde er auch Gasthörer an der Universität Heidelberg. Bei sporadischen Heimreisen hörte er auch in Petersburg Vorlesungen in Literatur und Poesie.
Beeinflusst von der Idee des Symbolismus veröffentlichte Mandelstam 1910 seine ersten Gedichte in der Zeitschrift Apollon (Аполлон) und begann 1911 an der Petersburger Universität sein literaturwissenschaftliches Studium. Er wurde Mitglied der Literatengruppe der Akmeisten um Nikolai Gumiljow und veröffentlichte neben Gedichten auch Essays zu literarischen Themen.

Sein 1913 erschienener erster Gedichtband Der Stein (Камень) machte Mandelstam in der literarischen Welt bekannt. Schon der Titel des Gedichtbandes wies programmatisch auf Mandelstams Verständnis von Dichtung hin: Die enge Verbindung von Materie und Sinn. Das russische Wort für „Stein“ (kamen) steht für die Materie, bildet jedoch gleichzeitig ein Beinahe-Anagramm auf das griechische akme, den Grundbegriff des Akmeismus. In diesen vorrevolutionären Jahren lernte Mandelstam auch Marina Zwetajewa und Maximilian Woloschin kennen.
Die Zeit nach der Oktoberrevolution war für Mandelstam eine ruhelose Zeit. Rastlos und im „inneren Exil“, lebte er mit seiner Frau Nadeschda, die er seit 1919 kannte und 1922 heiratete, abwechselnd in Moskau, Petersburg und Tiflis, stets in Armut. 1920 wurde er im Zuge des Russischen Bürgerkriegs von antibolschewistischen Kräften auf der Krim als vermeintlicher Spion kurzfristig in Haft gehalten.[1] Im Jahr darauf erschien in der Moskauer Zeitschrift Ogonjok (1923 Nr. 39.) sein Interview mit dem damals in Moskau lebenden Nguyễn Sinh Cung, der später als Hồ Chí Minh weltbekannt wurde.[2]
Gedichtsammlungen wie Tristia (1922), Das zweite Buch (Вторая книга, 1923), Gedichte (Стихотворения, 1928) zeigen seine dichterische Vielseitigkeit. Essaysammlungen wie Über Poesie (1928) zeigen sein Talent als hervorragender Literaturtheoretiker und -kritiker. Sein Prosastück Das Rauschen der Zeit (Шум времени, 1925) spiegelt sein Gefühl der Fremdheit im sowjetischen System. Dennoch durften – im Gegensatz zur Achmatowa und anderen Dichtern – in den 1920er Jahren seine Bücher noch erscheinen, angeblich aufgrund der Fürsprache Nikolai Bucharins, des Vorsitzenden der Komintern und Chefredakteurs der Iswestija.
In den 1930er Jahren begann die Zeit der Säuberungen unter Stalin und der offenen Repressionen gegen den Dichter. Einzig seine Übersetzungen französischer, deutscher und englischer Prosa hielten ihn materiell und geistig am Leben. Dank Bucharins Protektion durfte er 1930 nach Armenien reisen, von wo er eine Fülle von Inspiration und Ideen mitbrachte, woraus im Herbst 1933 Die Reise nach Armenien entstand, die 1934 in der Zeitschrift Swesda erschien. Diese Texte und ein Gedicht mit dem Anfang Wir Lebenden spüren den Boden nicht mehr (Мы живем, под собою не чуя страны…) von Herbst 1934, das sich überdeutlich auf Stalin und seinen Terror bezieht, führten im Mai darauf zu Mandelstams erster Verhaftung. In diesem Gedicht heißt es:


Einem harten Urteil entging Mandelstam nach einem Selbstmordversuch; er wurde zunächst nur nach Tscherdyn, später Woronesch verbannt, wo er drei Jahre verbrachte. Um diese erste Verhaftung ranken sich Legenden, dass Stalin persönlich bei Mandelstams Freund und Kollegen Pasternak angerufen habe, um über Mandelstams Schicksal zu sprechen. In Woronesch arbeitete Mandelstam für Zeitungen und Zeitschriften. Seine letzten Gedichte Die Woronescher Hefte entstanden hier. Sein Übersetzer Ralph Dutli schreibt 1996 (S. 382): „Die Woronescher Hefte stellen den Schlußstein (...) seines Werkes dar. (...) Die Woronescher Hefte sind Summe und Vermächtnis. Versammlung des eigenen Schaffens wie der es nährenden europäischen Kultur“. Am 2. Mai 1938 erneut verhaftet, wurde er zu fünf Jahren Lager wegen konterrevolutionärer Aktivitäten verurteilt und in ein Arbeitslager in der Nähe von Wladiwostok gebracht. Am 27. Dezember 1938 starb er (laut Ralph Dutli; Zürich 1996) halb verhungert, herzkrank und von Halluzinationen gequält in der Krankenbaracke eines Übergangslagers (Wtoraja Retschka) und wurde in einem Massengrab beerdigt.
Mandelstam war mit der späteren Autorin Nadeschda Jakowlewna Mandelstam verheiratet. Nadeschda Mandelstam und Freunde des Dichters bewahrten viele der Gedichte (teils durch Auswendiglernen der nicht niedergeschriebenen Texte) und ermöglichten ihre Veröffentlichung in den 1960er Jahren.
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Mandelstam, Ossip Emiljewitsch |
| ALTERNATIVNAMEN | Мандельштам, Осип Эмильевич (russisch) |
| KURZBESCHREIBUNG | russischer Dichter |
| GEBURTSDATUM | 15. Januar 1891 |
| GEBURTSORT | Warschau |
| STERBEDATUM | 27. Dezember 1938 |
| STERBEORT | bei Wladiwostok |